Was bedeuten die Landesgesetze in Nordrhein-Westfalen für Ihren nachhaltigen Beschaffungsprozess?
Soziale und ökologische Kriterien
Landesvergabegesetz: Am 30. März 2018 ist das reformierte Tariftreue- und Vergabegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (TVgG NRW) in Kraft getreten, das am 21. März 2018 vom nordrhein-westfälischen Landtag beschlossen wurde. Das TVgG ist Teil des ersten „Entfesselungspaketes“, das die Landesregierung auf den Weg gebracht hat.
Die Nachweispflicht zur Einhaltung internationaler Arbeitsrechte und Umweltstandards wurde aus dem novellierten Tariftreue-und Vergabegesetz (TVgG) gestrichen. Das Gesetz wurde von vorher 18 auf jetzt 4 Paragraphen gekürzt. Insbesondere entfallen die bisher notwendigen Verpflichtungserklärungen. Stattdessen ist nur noch eine vertragliche Vereinbarung über die Einhaltung von Mindestarbeitsbedingungen nebst Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns notwendig.
Gesetzestext als Dokument
Mit der Gesetzesänderung wurde eine landesweit einheitliche Regelung, die die öffentliche Beschaffung auch an Menschenrechten und Umweltstandards ausrichtet, aufgegeben. Allerdings können Kommunen und Landesvergabestellen auch weiterhin auf freiwilliger Basis den Nachweis einfordern, dass bei der Herstellung z.B. von Arbeitskleidung oder Informationstechnologie Umweltstandards und Arbeitsrechte eingehalten werden.
Laut Landesregierung stehen die Verschlankung des TVgG NRW und die Beachtung und Anwendung von Nachhaltigkeitsaspekten - insbesondere das Verbot der Kinderarbeit – in keinem Widerspruch, da das Vergaberecht des Bundes bereits vorsieht, dass Unternehmen bei der Ausführung des öffentlichen Auftrags alle für sie geltenden rechtlichen Verpflichtungen einhalten müssen. Zu diesen Verpflichtungen gehören beispielsweise Mindestarbeitsbedingungen, aber auch internationale Abkommen. Diese internationalen Abkommen umfassen auch die Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO-Kernarbeitsnormen) wie das Übereinkommen über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung sowie das Übereinkommen über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit. Diese Abkommen sind jedoch nur für Arbeitsbedingungen in Deutschland bindend und nicht oder nur teilweise für Produktionsländer von beispielsweise Arbeitskleidung oder IT Hardware.
Vergabestellen können weiterhin individuelle Nachweise und Zertifikate zu sozialen und ökologischen Nachhaltigkeitsaspekten einfordern. Damit besteht in jeder Stufe eines Vergabeverfahrens weiterhin die Möglichkeit, konkret und wirkungsvoll Nachhaltigkeitsaspekte zu verfolgen. So bleibt es dem öffentlichen Auftraggeber unbelassen, diese Kriterien in der Leistungsbeschreibung, den Zuschlagskriterien oder den besonderen Ausführungsbedingungen zu verankern.
Unterschwellenvergabeordnung (UVgO): Die Anwendung der gesamten UVgO wird für den Bereich der Landesverwaltung verbindlich vorgeschrieben (Verwaltungsvorschriften zu § 55 Landeshaushaltsordnung LHO vom 08.06.2018). Kommunen sollen gem. Ziffer 5.1. der kommunalen Vergabegrundsätze vom 28. August 2018 die UVgO anwenden. Dies bedeutet, dass die kommunalen Auftraggeber auf die Regelungen der UVgO zurückgreifen können, dies aber nicht müssen, wenn hierfür triftige Gründe vorliegen. Sie können damit für den Einzelfall der nachhaltigen Beschaffung selber praxistaugliche Regelungen entwickeln.
Weitere Informationen zum NRW-Vergaberecht und zum Inkrafttreten der Unterschwellenvergabeordnung: Ministerium der Finanzen, Portal zum öffentlichen Auftragswesen in Nordrhein-Westfalen www.vergabe.nrw.de
Ferner gibt § 4a des Bestattungsgesetzes (BestattG) In Kraft getreten am 1. September 2003 (GV. NRW. S. 313), geändert durch Gesetz vom 9. Juli 2014 (GV. NRW. S. 405), in Kraft getreten am 1. Oktober 2014, verpflichtend vor, dass keine Verwendung von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit stattfinden darf.
Gesetz als Dokument
Stand dieser Informationen: 02.07.2019
Arbeitshilfen zur sozialverantwortlichen Beschaffung
Christliche Initiative Romero (CIR) e.V.
* Sozialverantwortliche Beschaffung nach dem neuen Vergaberecht 2016 (November 2016)
Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW)
* Faires Beschaffungswesen in Kommunen und die Kernarbeitsnormen (Oktober 2016)
WEED e.V.
* Argumentationshilfe "Gute Gründe für nachhaltige Beschaffung" (2015)
Femnet e.V.
* Fair einkaufen in Fairtrade Towns – Praxistipps für die faire Beschaffung von Berufskleidung und Textilien (Dezember 2018)
* Möglichkeiten einer ökologisch und sozial nachhaltigen öffentlichen Beschaffung (Februar 2019)
Arbeitshilfen zur umweltfreundlichen Beschaffung
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR)
* Nachwachsende Rohstoffe im Einkauf - Themenheft III: Büro - Einrichtung, Material, Gestaltung (2017)
* Nachwachsende Rohstoffe in Kommunen - Themenheft I: Entscheidungsträger (2013)
Arbeitshilfen des Umweltbundesamtes zur umweltfreundlichen Beschaffung
* Rechtsgutachten umweltfreundliche öffentliche Beschaffung (Februar 2019)
* Broschüre: Umweltfreundliche Beschaffung in der Praxis (Juni 2016)
* Hintergrundpapier: Umweltfreundliche öffentliche Beschaffung (September 2015)
* Empfehlungen für Ihre Ausschreibung
* Berechnung der Lebenszykluskosten
* Umweltaspekte in Vergabeverfahren
Einführung von Bio-Lebensmitteln im Verpflegungsbereich von Kommunen
* Mehr Bio in Kommunen – Ein Praxisleitfaden des Netzwerks deutscher Biostädte (Februar 2017)