Was bedeuten die Landesgesetze in Berlin für Ihren nachhaltigen Beschaffungsprozess?
Stand dieser Informationen: 11.11.2019
Regelungen in der Oberschwelle: Oberhalb der Schwellenwerte haben die öffentliche Auftraggeber des Landes Berlin die Vorschriften des GWB und der VgV anzuwenden. (siehe: Grundlagenwissen/Rechtliche Grundlagen)
Regelungen in der Unterschwelle: Die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) wird voraussichtlich im Jahr 2019 für öffentliche Auftraggeber des Landes Berlin eingeführt. Bis dahin haben öffentliche Auftraggeber die VOL/A weiter anzuwenden und können sich daher auch nicht direkt auf die Regelung zu Gütezeichen in § 24 UVgO stützen
Landesvergabegesetz
Das Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz (BerlAVG) vom 8. Juli 2010, zuletzt geändert durch Gesetz vom 05.06.2012 und angepasst durch das Rundschreiben Nr.01/2017 verpflichtet zur Tariftreue bzw. zur Zahlung eines Mindeststundenlohns.
Das BerlAVG findet auf alle Vergabevorgänge ab einem geschätzten Auftragswert von 10.000 Euro netto, hinsichtlich des Mindestlohns ab einem geschätzten Auftragswert von 500 Euro netto Anwendung.
Das BerlAVG gilt für alle Berliner Vergabestellen.
Mindestlohn: Das Mindeststundenentgelt bei öffentlichen Aufträgen des Landes Berlin beträgt derzeit 9,19 Euro (ab 2020 9,35 Euro) brutto.
Soziale Kriterien
Freiwillig können nach § 1 Abs.7 BerlAVG soziale Kriterien berücksichtigt werden:
„(7) Für die Auftragsausführung können bei allen Aufträgen zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit dem konkreten Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben. (...)“
Verbindlich wird in §8 die Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen verlangt:
„(1) Bei der Vergabe von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen ist darauf hinzuwirken, dass keine Waren Gegenstand der Leistung sind, die unter Missachtung der in den ILO-Kernarbeitsnormen festgelegten Mindeststandards gewonnen oder hergestellt worden sind. (...)“
(2) Aufträge über Lieferleistungen dürfen in den Fällen nach Absatz 3 nur mit einer Ergänzenden Vertragsbedingung vergeben werden, die den Auftragnehmer verpflichtet, den Auftrag gemäß der Leistungsbeschreibung ausschließlich mit Waren auszuführen, die nachweislich unter bestmöglicher Beachtung der ILO-Kernarbeitsnormen gemäß Absatz 1 gewonnen oder hergestellt worden sind. Dazu sind entsprechende Nachweise von den Bietern zu verlangen. Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für Waren, die im Rahmen der Erbringung von Bau- oder Dienstleistungen verwendet werden. (...)“
Ökologische Kriterien
Das Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz (BerlAVG) vom 8. Juli 2010 zuletzt geändert durch Gesetz vom 05.06.2012 und angepasst durch das Rundschreiben Nr.01/2017 verpflichtet Auftraggeber nach §7 zur Berücksichtigung ökologische Kriterien.
„(1) Auftraggeber sind verpflichtet, bei der Vergabe von Aufträgen ökologische Kriterien zu berücksichtigen. Bei der Festlegung der Leistungsanforderungen soll umweltfreundlichen und energieeffizienten Produkten, Materialien und Verfahren der Vorzug gegeben werden. Auftraggeber haben im Rahmen von Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträgen dafür Sorge zu tragen, dass bei der Herstellung, Verwendung und Entsorgung von Gütern sowie durch die Ausführung der Leistung bewirkte negative Umweltauswirkungen möglichst vermieden werden. (…)
(2) Bei der Wertung der Wirtschaftlichkeit der Angebote im Sinne von § 97 Absatz 5 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen sind auch die vollständigen Lebenszykluskosten des Produkts oder der Dienstleistung zu berücksichtigen.(…)“
Gesetz als Dokument
Verwaltungsvorschriften zur sozialen Beschaffung
Die Vorschriften des BerlAVG hinsichtlich der Integration sozialer Aspekte gelten für bestimmte, in Rundschreiben Nr. 1/2012 definierte Produkte:
„Produktliste
Gemäß § 8 Absatz 3 Satz 1 BerlAVG gelten die zu ergreifenden Maßnahmen nur für folgende Waren:
- Produkte aus Naturleder (einschließlich Sportbällen aus Naturleder)
- Naturtextilien, insbesondere aus Baumwolle
- handgefertigte Teppiche
- Natursteine
- Produkte aus Holz
- Kaffee, Kakao, Tee
- Südfrüchte, Fruchtsäfte, Wein
- Gewürze, Honig, Reis, Trockenfrüchte, Nüsse, Zucker, Süßwaren
- Fischereiprodukte
- Feuerwerkskörper, Zündhölzer, Schnittblumen, Topfpflanzen."
Link zum Rundschreiben: Rundschreiben mit Produktangaben als Dokument (unter: Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetz, 29.02.2012, Gemeinsames Rundschreiben Nr. 01/2012
Verwaltungsvorschriften zur ökologisch nachhaltigen Beschaffung
Die Verwaltungsvorschrift Beschaffung und Umwelt (VwVBU) vom 08.01.2019 gilt für Liefer-, Bau-, und Dienstleistungsaufträge ab einem geschätzten Auftragswert von 10.000 € und enthält detaillierte Überlegungen zu einzelnen Produktbereichen. Diese werden durch Leistungsblätter, in denen die einzelnen Umweltschutzanforderungen stehen, und Tabellen zur Berechnung von Lebenszykluskosten ergänzt. Die Einbindung zusätzlicher Zuschlagskriterien ist möglich:
„7.2 Zusätzliche Zuschlagskriterien
Der Auftraggeber kann bei nicht von dieser Verwaltungsvorschrift in Form von Leistungsblättern erfassten Leistungen Umweltaspekte bei den Zuschlagskriterien berücksichtigen und gewichten. Für von dieser Verwaltungsvorschrift in Form von Leistungsblättern erfasste Leistungen können weitere Umweltaspekte als Zuschlagkriterien vorgesehen und deren Gewichtung in der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen festgelegt werden.(…)“
Das Rundschreiben 01/2017 des Senats zur Anwendung von Umweltschutzauflagen bei der Beschaffung von PKW vom 05.12.2017 regelt ferner ökologische Anforderungen an die Beschaffung von PKW. Insbesondere sind vorrangig Elektrofahrzeuge zu beschaffen.
Link zur Verwaltungsvorschrift: Verwaltungsvorschrift als Dokument
Rundschreiben als Dokument
Leistungsblätter zu Umweltschutzanforderungen bei der Beschaffung als Dokument
Leistungsblätter zu Umweltschutzanforderungen bei der Beschaffung von Textilien als Dokument
Erläuterung zur Berechnung von Lebenszykluskosten bei strombetriebenen Geräten als Dokument
Berechnungshilfe zur Berechnung der Lebenszykluskosten bei strombetriebenen Geräten als Dokument
Berechnungshilfe für Lebenszykluskosten bei Straßenfahrzeugen als Dokument
Arbeitshilfen und weiterführende Links
Weiterführende Hinweise zur sozial nachhaltigen Beschaffung
Christliche Initiative Romero (CIR) e.V.
* Sozialverantwortliche Beschaffung nach dem neuen Vergaberecht 2016 (November 2016)
Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW)
* Faires Beschaffungswesen in Kommunen und die Kernarbeitsnormen (Oktober 2016)
WEED e.V.
* Argumentationshilfe "Gute Gründe für nachhaltige Beschaffung" (2015)
Femnet e.V.
Möglichkeiten einer ökologisch und sozial nachhaltigen öffentlichen Beschaffung
Weiterführende Hinweise zur ökologischen Beschaffung
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR)
* Nachwachsende Rohstoffe im Einkauf - Themenheft III: Büro - Einrichtung, Material, Gestaltung (2017)
* Nachwachsende Rohstoffe in Kommunen - Themenheft I: Entscheidungsträger (2013)
Arbeitshilfen des Umweltbundesamtes zur umweltfreundlichen Beschaffung
* Rechtsgutachten umweltfreundliche öffentliche Beschaffung (Januar 2017)
* Broschüre: Umweltfreundliche Beschaffung in der Praxis (Juni 2016)
* Hintergrundpapier: Umweltfreundliche öffentliche Beschaffung (September 2015)
* Empfehlungen für Ihre Ausschreibung
* Berechnung der Lebenszykluskosten
* Umweltaspekte in Vergabeverfahren