Was bedeuten die Landesgesetze in Rheinland-Pfalz für Ihren nachhaltigen Beschaffungsprozess?
Soziale Kriterien
Landesvergabegesetz: Das „Landesgesetz zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindestentgelt bei öffentlichen Auftragsvergaben“ vom 01. Dezember 2010 zuletzt geändert am 08.03.2016 gilt ab einem geschätzten Auftragswert von € 20.000 und verpflichtet die Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer zur Zahlung von Tariflöhnen oder einem Mindestlohn von € 8,90 brutto pro Stunde. Es berücksichtigt in §1 die Einbindung sozialer Kriterien in die Auftragsvergabe:
"§ 1 Ziel, Regelungsbereich und allgemeine Grundsätze
...
(3) Für die Auftragsausführung können zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben. Als soziale Aspekte in diesem Sinne können insbesondere gefordert werden:
1. die Beschäftigung von Auszubildenden,
2. die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen,
3. die Sicherstellung der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern.“
Daneben ordnet § 2a eine Hinwirkungspflicht des öffentlichen Auftraggebers auf die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen an:
Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ist darauf hinzuwirken, dass keine Waren Gegenstand der Leistung sind, die unter Missachtung der in den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) festgelegten Mindestanforderungen gewonnen oder hergestellt worden sind.
Gesetzestext als Dokument
Verwaltungsvorschriften: Die Verwaltungsvorschrift „Öffentliches Auftrags- und Beschaffungswesen in Rheinland-Pfalz“ vom 24. April 2014 ist mit Ausnahme der Nummern 10, 11 und 21.2 auch von kommunalen Gebietskörperschaften anzuerkennen (vgl. Nr. 22.1). Die Vorschrift enthält damit verpflichtende Bestimmungen für Kommunen bezüglich der Aspekte Berücksichtigung von Barrierefreiheit, Werkstätten für behinderte Menschen, Blindenwerkstätten und Integrationsprojekten (Abschnitt 7), Berücksichtigung von Ausbildungsbetrieben (Abschnitt 8) und die Anerkennung von Frauenfördermaßnahmen (Abschnitt 9). Abschnitt 11 widmet sich der „Berücksichtigung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation“ und wird den kommunalen Gebietskörperschaften empfohlen:
„§11 Grundsätze zur Berücksichtigung internationaler Arbeitsstandards bei öffentlichen Aufträgen des Landes
11.1 Eine verantwortliche Vergabe schließt die Berücksichtigung der sozialen Bedingungen der Menschen, die an der Herstellung des Auftragsgegenstandes beteiligt sind, ein. Als Maßstab sind die international anerkannten Grundprinzipien der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) zu beachten, die in acht Übereinkommen, den sog. Kernarbeitsnormen, ihre konkrete Ausgestaltung erfahren haben (...)
Im Rahmen der geltenden Vergaberechtsordnung können Anforderungen, die dem Schutz von in die Lieferkette eingebundenen Arbeitnehmern auch im Ausland dienen, durch eine geeignete Bestimmung des Leistungsgegenstandes oder die Aufnahme zusätzlicher Anforderungen gemäß (...) festgeschrieben werden.“
Verpflichtend soll auf den Ausschluss ausbeuterischer Kinderarbeit nach Kernarbeitsnorm Nr. 182 im Beschaffungsprozess geachtet werden, auch die anderen ILO-Kernarbeitsnormen sind zu beachten, wenn die in Abschnitt 11.2.2 aufgeführten Produkte beschafft werden:
„11.2.2. Eigenerklärung
Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ist in begründeten Fällen eine Eigenerklärung zu verlangen, dass bei der Ausführung des Auftrags nur Produkte Berücksichtigung finden, die ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne des IAO-Übereinkommens Nr. 182 über die schlimmsten Formen der Kinderarbeit hergestellt bzw. bearbeitet wurden, bzw. die Zusicherung, dass das Unternehmen, seine Lieferanten und deren Nachunternehmer aktive und zielführende Maßnahmen eingeleitet haben, um ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne des IAO-Übereinkommens Nr. 182 bei der Herstellung bzw. Bearbeitung der zu liefernden Produkte auszuschließen. Hierzu ist das in der Anlage beigefügte Muster zu verwenden.
Die Erklärung wird bei Annahme des Angebots Vertragsbestandteil. Eigenerklärungen kommen derzeit insbesondere bei folgenden Produkten in Betracht, falls diese in Afrika, Asien oder Lateinamerika hergestellt oder bearbeitet wurden:
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Sportbekleidung, Sportartikel, insbesondere Bälle
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Spielwaren
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Teppiche
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Textilien
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Lederprodukte
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Billigprodukte aus Holz
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Natursteine
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Agrarprodukte wie z. B. Kaffee, Kakao, Orangen- oder Tomatensaft,Blumen
Die Nichtabgabe der Erklärung oder die Abgabe einer wissentlich oder vorwerfbar falschen Erklärung hat den Ausschluss von dem laufenden Vergabeverfahren zur Folge.
Erweist sich nach Vertragsschluss, dass eine wissentlich oder vorwerfbar falsche Erklärung abgegeben oder gegen mit der Erklärung eingegangene Verpflichtungen verstoßen wurde, so sollen Verträge nach VOLVB in der Regel aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden."
Verwaltungsvorschrift mit Mustererklärung als Dokument
Vom Entwicklungspolitischen Landesnetzwerk Rheinland-Pfalz ELAN e.V. wird ein Leitfaden "Öko-soziale Beschaffung - Ein Leitfaden für Initiativen in Rheinland-Pfalz" herausgegeben. Darin wird die praktische Umsetzung einer öko-fairen Beschaffung erläutert. Für 7 Produktgruppen werden Hintergrundinformationen zu Herstellungsbedingungen gegeben und verlässliche Gütezeichen sowie Beispiele aus der Praxis vorgestellt.
Leitfaden Öko-soziale Beschaffung (Dezember 2016)
Vom Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz wird ein Handbuch zur öko-sozialen Beschaffung für Kommunen herausgegeben. Das Handbuch enthält eine Analyse der Möglichkeiten einer öko-sozialen Beschaffung nach Umsetzung der neuen EU-Vergaberichtlinien, praktische Hinweise zur Verankerung sozialer und ökologischer Kriterien in Ausschreibungsunterlagen sowie Informationen zu ausgewählten Produktgruppen (Papier, Nahrungsmittel, Textilien, Natursteine, Informationstechnologie).
Handbuch öko-soziale Beschaffung (Mai 2016)
Stand dieser Informationen: 02.07.2019
Arbeitshilfen zur sozialverantwortlichen Beschaffung
Christliche Initiative Romero (CIR) e.V.
* Sozialverantwortliche Beschaffung nach dem neuen Vergaberecht 2016 (November 2016)
Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW)
* Faires Beschaffungswesen in Kommunen und die Kernarbeitsnormen (Oktober 2016)
WEED e.V.
* Argumentationshilfe "Gute Gründe für nachhaltige Beschaffung" (2015)
Femnet e.V.
* Fair einkaufen in Fairtrade Towns – Praxistipps für die faire Beschaffung von Berufskleidung und Textilien (Dezember 2018)
* Möglichkeiten einer ökologisch und sozial nachhaltigen öffentlichen Beschaffung (Februar 2019)
Ökologische Kriterien
Landesvergabegesetz: Das „Landesgesetz zur Gewährleistung von Tariftreue und Mindestentgelt bei öffentlichen Auftragsvergaben“ gilt ab einem geschätzten Auftragswert von 20.000 Euro und ermöglicht die Einbindung ökologischer Kriterien in die Auftragsvergabe:
„(3) Für die Auftragsausführung können zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden, die insbesondere soziale, umweltbezogene oder innovative Aspekte betreffen, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben.“
Gesetzestext als Dokument
Verwaltungsvorschriften: Die Verwaltungsvorschrift „Öffentliches Auftrags- und Beschaffungswesen in Rheinland-Pfalz“ vom 24. April 2014 empfiehlt kommunalen Gebietskörperschaften in Abschnitt 10 die „Berücksichtigung umweltverträglicher und energieeffizienter Produkte und Dienstleistungen“. Es werden ausführlich Aspekte zur Zielsetzung, zur Wahl des Auftragsgegenstandes, zur Erkundung des Bewerberkreises, zur Leistungsbeschreibung, zu Eignungs- und Wertungskriterien, zur Zulassung von Nebenangeboten sowie zu Hilfestellungen und Beispielen festgelegt.
Es sind
„10.2 (...) solchen Produkten den Vorzug zu geben, die
- durch Vorbereitung zur Wiederverwendung oder durch Recycling von Abfällen, in energiesparenden, wassersparenden, schadstoffarmen, rohstoffarmen oder abfallarmen Produktionsverfahren oder aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt sind,
- sich durch besondere Langlebigkeit und Reparaturfreundlichkeit, durch Wiederverwendbarkeit oder Verwertbarkeit auszeichnen oder
- im Vergleich zu anderen Erzeugnissen zu weniger oder zu schadstoffärmeren Abfällen führen oder sonst umweltverträglicher als andere Produkte zu entsorgen sind.
Darüber hinaus sind nur solche Produkte zu beschaffen, die auch im Einsatz emissionsarm und energiesparend verwendet werden können.
(...)
10.4 Von der Möglichkeit, in die Leistungsbeschreibung umweltverträgliche und energieeffiziente Anforderungen an die zu beschaffenden Produkte oder Leistungen aufzunehmen, ist grundsätzlich Gebrauch zu machen.
(...)
10.5 Im Rahmen der Eignungsprüfung kann der öffentliche Auftraggeber von den Bewerbern oder Bietern zum Nachweis ihrer technischen Leistungsfähigkeit verlangen, dass das zu beauftragende Unternehmen bestimmte Normen für das Umweltmanagement erfüllt, (...).
(...)
10.6 Wertungskriterien: Unter Berücksichtigung aller auftragsbezogenen Umstände ist zu prüfen, welches Angebot das wirtschaftlichste ist. Maßgebend sind dabei neben dem Preis die für die Wertung der Angebote vorgesehenen Aspekte, zu denen z. B. Umwelteigenschaften und Lebenszykluskosten gehören. Umweltaspekte sind als Zuschlagskriterien zulässig, wenn sie im Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen.(...)“
Verwaltungsvorschrift als Dokument
Stand dieser Informationen: 02.07.2019
Arbeitshilfen zur umweltfreundlichen Beschaffung
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR)
* Nachwachsende Rohstoffe im Einkauf - Themenheft III: Büro - Einrichtung, Material, Gestaltung (2017)
* Nachwachsende Rohstoffe in Kommunen - Themenheft I: Entscheidungsträger (2013)
Arbeitshilfen des Umweltbundesamtes zur umweltfreundlichen Beschaffung
* Rechtsgutachten umweltfreundliche öffentliche Beschaffung (Februar 2019)
* Broschüre: Umweltfreundliche Beschaffung in der Praxis (Juni 2016)
* Hintergrundpapier: Umweltfreundliche öffentliche Beschaffung (September 2015)
* Empfehlungen für Ihre Ausschreibung
* Berechnung der Lebenszykluskosten
* Umweltaspekte in Vergabeverfahren
Einführung von Bio-Lebensmitteln im Verpflegungsbereich von Kommunen
* Mehr Bio in Kommunen – Ein Praxisleitfaden des Netzwerks deutscher Biostädte (Februar 2017)