Was bedeuten die Landesgesetze in Bremen für Ihren nachhaltigen Beschaffungsprozess?
Stand dieser Informationen: 13.11.2019
Regelungen in der Oberschwelle: Oberhalb der Schwellenwerte haben öffentliche Auftraggeber in Bremen die Vorschriften des GWB und der VgV anzuwenden. (siehe: Grundlagenwissen/Rechtliche Grundlagen)
Regelungen in der Unterschwelle: Gem. § 7 Abs.1 des Bremischen Gesetzes zur Sicherung von Tariftreue, Sozialstandards und Wettbewerb bei öffentlicher Auftragsvergabe (Tariftreue- und Vergabegesetz, TtVG) vom 24. November 2009 (Brem.GBl. 2009, 476), zuletzt mehrfach geändert durch Gesetz vom 12. Dezember 2017 (Brem.GBl. S. 773) sind ab einem Auftragswert von 50.000 € die Vorschriften der UVgO anzuwenden.
Gütezeichen: Öffentliche Auftraggeber können daher auf die Verwendung von Gütezeichen gem. § 24 UVgO zurückgreifen.
Landesvergabegesetz
Das TtVG regelt sowohl soziale wie auch ökologische Aspekte. Es gilt ab einem Auftragswert von 0 € und für alle öffentlichen Auftraggeber in Bremen.
Mindestlohn:
Das TtVG verpflichtet Auftragnehmer bei nationalen Vergaben zu einem Mindestlohn von 11,13 Euro brutto pro Stunde. Bei ÖPNV-Leistungen und Bauaufträgen muss nach den am Ort der Leistungen repräsentativen Tarifverträgen gezahlt werden. Bei EU-Vergaben und Vergaben mit Binnenmarktrelevanz sieht das Landesrecht lediglich die Einhaltung von Bundesrecht vor.
Soziale Kriterien
Auf die „Berücksichtigung sozialer und weiterer Kriterien“ wird in §18 eingegangen:
„(1) Für die Auftragsausführung können zusätzliche Anforderungen an Auftragnehmer gestellt werden, die insbesondere soziale, umweltbezogene und innovative Aspekte betreffen, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben. Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge über Lieferleistungen können diese Anforderungen an den Herstellungsprozess gestellt werden.
(2) Bei der Vergabe von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen ist darauf hinzuwirken, dass keine Waren Gegenstand der Leistung sind, die unter Missachtung der in den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) festgelegten Mindeststandards gewonnen oder hergestellt worden sind. Diese Mindeststandards ergeben sich aus: (…)“
Damit stellen soziale Nachhaltigkeitsaspekte eine von Gesetzes wegen zu beachtende besondere Ausführungsbedingung dar.
Weitere genannte soziale Aspekte sind die Einbeziehung der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen sowie die Chancengleichheit von Männern und Frauen.
Ökologische Kriterien
Das TtVG spezifiziert in §19 die Rahmenbedingungen einer umweltverträglichen Beschaffung:
„(1) Bei der Vergabe von Bau-, Liefer- oder Dienstleistungen müssen Umwelteigenschaften einer Ware, die Gegenstand der Leistung ist, berücksichtigt werden.
(2) Schreibt der Auftraggeber Umwelteigenschaften in Form von Leistungs- und Funktionsanforderungen vor, so kann er diejenigen Spezifikationen oder Teile davon verwenden, die in europäischen, multinationalen oder anderen Umweltzeichen definiert sind, wenn
1. diese Spezifikationen geeignet sind, die Merkmale derjenigen Waren oder Dienstleistungen zu definieren, die Gegenstand des Auftrags sind,
2. die Anforderungen des Umweltzeichens auf der Grundlage von wissenschaftlich abgesicherten Information ausgearbeitet werden,
3. die Umweltzeichen im Rahmen eines Verfahrens erlassen werden, an dem alle interessierten Kreise, wie staatliche Stellen, Verbraucher, Hersteller, Händler und Umweltorganisationen, teilnehmen können, und
4. die Umweltzeichen für alle Betroffenen zugänglich und verfügbar sind.
(…)“
Neben Zertifikaten muss der Auftraggeber auch weitere glaubhafte Beweise des Bieters, dass die geforderten Bedingungen eingehalten werden, akzeptieren. Dabei wird genauer festgelegt, welche Beweise als glaubhaft angesehen werden können.
Gesetz als Dokument
Rechtsverordnungen
Die überarbeitete „Bremische Verordnung über die Berücksichtigung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation bei der öffentlichen Auftragsvergabe“ (Bremische Kernarbeitsnormenverordnung - BremKernV) von 2019 bestimmt entsprechend den gesetzlichen Vorgaben Mindestanforderungen über die Einbeziehung von Produktgruppen und Herstellungsverfahren, Vorgaben zu Zertifizierungen und verpflichtend zur erbringenden Nachweisen sowie zur Ausgestaltung von Kontrollen und Sanktionen. Auf folgende Produktgruppen findet die BremKernV Anwendung:
1. Arbeits- und Dienstbekleidung, Stoffe oder sonstige Textilwaren,
2. Naturstein, soweit nicht die Verwendung gebrauchter Materialien beabsichtigt ist,
3. Tee, Kaffee, Kakao,
4. Blumen,
5. Spielwaren oder Sportbälle.
Die ILO-Kernarbeitsnormen sind danach vertraglich verbindlich zu vereinbaren.
Die Bremische Kernarbeitsnormenverordnung gilt für die Vergabe öffentlicher Aufträge über die o.g. Produktgruppen.
Link zur Rechtsverordnung: https://www.transparenz.bremen.de/vorschrift_detail/bremen2014_tp.c.68151.de
Verwaltungsvorschriften
Die Verwaltungsvorschrift für die Beschaffung der Freien Hansestadt Bremen - Land und Stadtgemeinde Bremen (VVBesch) vom 14. Mai 2019 legt fest, dass Nachhaltigkeit ist als durchgängiges Leitprinzip in allen Bereichen des bremischen Beschaffungswesens zu berücksichtigen ist und legt in § 6 Grundsätze der nachhaltigen Beschaffung fest.
DieVerwaltungsvorschrift gilt für alle Dienststellen der Freien Hansestadt Bremen (Land und Stadtgemeinde), insbesondere Schulen, Gerichte, Eigenbetriebe und Hochschulen, soweit nicht durch andere Rechts- oder Verwaltungsvorschriften abweichende Regelungen getroffen sind.
Link zur Verwaltungsvorschrift: Verwaltungsvorschrift für die Beschaffung der Freien Hansestadt Bremen
Sonstige Regelungen (z.B. Bestattungsgesetz): Ferner erlauben es § 4 Abs.5 des Gesetzes über das Friedhofs- und Bestattungswesen in der Freien Hansestadt Bremen vom 16. Oktober 1990 (Brem.GBl. 1990, 303), zuletzt zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Mai 2019 (Brem.GBl. S. 363), dem Friedhofsträger eine Verwendung von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu untersagen.
Arbeitshilfen und weiterführende Links
Weiterführende Hinweise zur sozial nachhaltigen Beschaffung
Christliche Initiative Romero (CIR) e.V.
* Sozialverantwortliche Beschaffung nach dem neuen Vergaberecht 2016 (November 2016)
Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW)
* Faires Beschaffungswesen in Kommunen und die Kernarbeitsnormen (Oktober 2016)
WEED e.V.
* Argumentationshilfe "Gute Gründe für nachhaltige Beschaffung" (2015)
Femnet e.V.
Möglichkeiten einer ökologisch und sozial nachhaltigen öffentlichen Beschaffung
Weiterführende Hinweise zur ökologischen Beschaffung
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR)
* Nachwachsende Rohstoffe im Einkauf - Themenheft III: Büro - Einrichtung, Material, Gestaltung (2017)
* Nachwachsende Rohstoffe in Kommunen - Themenheft I: Entscheidungsträger (2013)
Arbeitshilfen des Umweltbundesamtes zur umweltfreundlichen Beschaffung
* Rechtsgutachten umweltfreundliche öffentliche Beschaffung (Januar 2017)
* Broschüre: Umweltfreundliche Beschaffung in der Praxis (Juni 2016)
* Hintergrundpapier: Umweltfreundliche öffentliche Beschaffung (September 2015)
* Empfehlungen für Ihre Ausschreibung
* Berechnung der Lebenszykluskosten
* Umweltaspekte in Vergabeverfahren