Was bedeuten die Landesgesetze in Baden-Württemberg für Ihren nachhaltigen Beschaffungsprozess?
Stand dieser Informationen: 25.10.2019
Regelungen in der Oberschwelle: Oberhalb der Schwellenwerte haben öffentliche Auftraggeber in Niedersachsen die Vorschriften des GWB und der VgV anzuwenden. (siehe: Grundlagenwissen/Rechtliche Grundlagen)
Regelungen in der Unterschwelle: Ob öffentliche Auftraggeber in Baden-Württemberg die UVgO anzuwenden haben oder dies Ihnen lediglich empfohlen ist, richtet sich danach, ob es sich um Behörden und Betriebe des Landes handelt oder um kommunale Auftraggeber:
Landesbehörden - Für Behörden und Betriebe des Landes Baden-Württemberg gilt seit dem 01.10.2018 die Pflicht zur Anwendung der UVgO und damit auch die Vorschriften über die Verwendung von Gütezeichen nach § 24 UVgO.
Kommunen - Für kommunale Auftraggeber wird die UVgO durch Verwaltungsvorschrift (VergabeVwV vom 27.02.2019) seit dem 01.04.2019 zu Anwendung empfohlen. Auch die VwV Beschaffung wird für Kommunen zur Anwendung empfohlen.
Landesvergabegesetz
Neben den allgemeinen gesetzlichen Regelungen des Vergaberechts haben öffentliche Auftraggeber in Baden-Württemberg das Tariftreue- und Mindestlohngesetz für öffentliche Aufträge in Baden-Württemberg (Landestariftreue- und Mindestlohngesetz – LTMG) vom 10. April 2013 zu beachten.
Soziale Kriterien
Im LTMG sind keine Vorgaben für soziale Kriterien enthalten.
Ökologische Kriterien
Es sind auch keine besonderen Regelungen zur Einbindung von ökologischen Kriterien vorgesehen.
Verwaltungsvorschriften
Die Verwaltungsvorschrift der Landesregierung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VwV Beschaffung) vom 24. Juli 2018 lässt neben der Förderung der sozialen Integration und der Gleichstellung (Absatz 10.3.1.1) die Berücksichtigung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation in den Ausführungsbedingungen und die Berücksichtigung fair gehandelter Produkte über Zuschlagskriterien zu bzw. fordert dazu auf.
Anwendungsbereich: Die VwV Beschaffung gilt ab einem Auftragswert von 0 €.
Die VwV Beschaffung gilt gem. Ziffer 1.2. ausschließlich für die Behörden und Betriebe des Landes. Anderen öffentliche Auftraggebern (z.B. Kommunen) steht es aber frei, diese anzuwenden. Ihnen wird die Anwendung der VwV Beschaffung durch Verwaltungsvorschrift empfohlen.
Soziale Kriterien
Für die Verankerung sozialer Kriterien legt die VwV Beschaffung folgendes fest:
"10.3.1.2 Fair gehandelte Produkte - Berücksichtigung der Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO-Kernarbeitsnormen)
Im Rahmen der Vergabevorschriften sollen unter den am Markt befindlichen und für den vorgesehenen Verwendungszweck im Sinne der Nummer 13.4 gleichwertig geeigneten Erzeugnissen beziehungsweise Dienstleistungen fair gehandelte Produkte bevorzugt werden. Dies kommt insbesondere bei Agrarprodukten wie zum Beispiel Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Orangen-oder Tomatensaft, Blumen sowie bei Sportartikeln, insbesondere Bällen, Teppichen und Textilien in Betracht.
Eine Berücksichtigung von fair gehandelten Produkten im Rahmen der Zuschlagskriterien setzt voraus, dass die für die Ausschreibung relevanten Kriterien des fairen Handels in der Leistungsbeschreibung aufgeführt sind.
Aufträge über Liefer- und Dienstleistungen können bei den in Anlage 1 aufgeführten Produkten mit zusätzlichen Bedingungen an die Vertragsausführung (Ausführungsbedingungen) gemäß§ 128 Absatz 2GWB, § 61 VgV, § 45 Absatz 2 UVgO vergeben werden, die das beauftragte Unternehmen verpflichten, den Auftrag ausschließlich mit Produkten auszuführen, die unter Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen gewonnen oder hergestellt worden sind.
(…)
Die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen darf nicht als Eignungs- oder Zuschlagskriterien abgefordert werden, sondern ist nach Maßgabe der in Anlage 1 abgedruckten ergänzenden Vertragsbedingung als zusätzliche Bedingung an die Vertragsausführung zu stellen.
Bei den in Anlage 1 aufgeführten Produktgruppen soll von den bietenden Unternehmen, soweit diese Produkte in Ländern, die in der DAC-Liste der Entwicklungsländer und -gebiete aufgeführt sind (siehe www.bmz.de/de/ministerium/zahlen_fakten/oda/hintergrund/dac_laenderliste/index.html) hergestellt oder bearbeitet wurden, der Nachweis verlangt werden, dass bietende Unternehmen, Produkthersteller und direkte Zulieferer der Produkthersteller die Vorschriften, mit denen die ILO-Kernarbeitsnormen in nationales Recht umgesetzt worden sind, eingehalten haben. Dies gilt auch für die Rohstoffe der im Endprodukt verbauten Komponenten. Hierzu können vom Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung Gütezeichen entsprechend Nummer 10.8 verlangt werden.
Soweit nationales Recht eines Landes gilt, in dem eine oder mehrere Kernarbeitsnormen nicht ratifiziert oder nicht in nationales Recht umgesetzt worden sind, ist der Wesensgehalt der betreffenden Kernarbeitsnormen durch bietende Unternehmen, Produkthersteller und direkte Zulieferer der Produkthersteller dennoch einzuhalten."
(...)
"10.8 Nachweisführung durch Gütezeichen
Als Beleg dafür, dass eine Liefer- oder Dienstleistung bestimmten, in der Leistungsbeschreibung geforderten Merkmalen entspricht, kann der Auftraggeber die Vorlage von Gütezeichen nach Maßgabe des § 34 VgV beziehungsweise des § 24 UVgO verlangen. Im Unterschied zu § 34 VgV müssen unterhalb der EU-Schwellenwerte nach § 24 UVgO nicht alle Anforderungen des Gütezeichens mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Hier müssen die Kriterien des Gütezeichens für die Bestimmung der Merkmale der Leistung (lediglich) geeignet sein. Auftraggeber können Gütezeichen unterhalb der EU-Schwellenwerte damit leichter vorgeben.
Der Kompass Nachhaltigkeit (die Internetplattform Kompass Nachhaltigkeit wurde im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung aufgebaut)informiert auf seiner Internetseite über Gütezeichen, welche die Bedingungen des § 34 Absatz 2 VgV erfüllen (siehe http://oeffentlichebeschaffung.kompass-nachhaltigkeit.de/guetezeichen). Bei den dort aufgeführten Gütezeichen handelt es sich nicht um eine abschließende Aufzählung. Da §24 UVgO im Wesentlichen § 34 VgV entspricht, erfüllen Gütezeichen, die die Bedingungen des § 34 Absatz 2 VgV einhalten, auch die Anforderungen des § 24 Absatz 2 UVgO."
Ökologische Kriterien
Die (VwV Beschaffung) schreibt vor, dass bei gleichwertigen Erzeugnissen das umweltfreundlichere Produkt zu bevorzugen ist:
„10.3.2 Umweltbezogene Aspekte
"Im Rahmen der Vergabevorschriften ist unter den am Markt befindlichen und für den vorgesehenen Verwendungszweck gleichwertig geeigneten Erzeugnissen beziehungsweise Dienstleistungen das Angebot zu bevorzugen, das bei der Herstellung, im Gebrauch und/oder in der Entsorgung die geringsten Umweltbelastungen hervorruft. Auf die in § 2LAbfG festgelegten Pflichten der öffentlichen Hand bei der Beschaffung wird hingewiesen. Die dortigen Anforderungen bedürfen keiner gesonderten Prüfung, wenn Produkte mit anerkannten Gütezeichengemäß Nummer 10.8 gekennzeichnet sind.
Soweit Aufträge unter Umweltgesichtspunkten besonders sensibel sind (zum Beispiel besondere Transportleistungen, Reinigung von Containern mit Abfall unbkannter Herkunft, Entsorgung nicht mehr aufzubereitender Reinigungsflüssigkeiten) kann die auftragsbezogene notwendige umweltspezifische Eignung der Unternehmen,insbesondere durch Nachweis einer Zertifizierung nach EMAS, ISO14001 oder einem anderen Umweltmanagementsystem, erbracht werden (entsprechend den Grundsätzen in § 32 Absatz 2 VgV).
Erfolgt eine Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb oder eine Verhandlungsvergabe, sollen gezielt auch geeignete Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, die den Nachweis einer Zertifizierung nach EMAS, ISO 14001 oder einem anderen Umweltmanagementsystem erbracht haben; andere geeignete Unternehmen dürfen dadurch jedoch nicht ausgeschlossen oder benachteiligt werden."
Unter Punkt 10.3.2.4 wird die Beschaffung von Recyclingprodukten festgelegt:
"10.3.2.4 Sonderregelungen für Papierprodukte
Zur Deckung des Bedarfs an Papier, Versand- und Verpackungsmaterial aus Papier, Pappe und Karton sind Recyclingprodukte zu beschaffen. Die Recyclingeigenschaften gelten als erfüllt, wenn das Produkt mit dem Umweltzeichen „Blauer Engel“ zertifiziert ist oder gleichwertige Kriterien erfüllt. Dabei ist für registraturrelevantes Schriftgut als Druckerpapier alterungsbeständiges Papier gemäß DIN 6738 zu beschaffen. Recyclingpapier, das die DIN 9706 erfüllt und den Blauen Engel trägt oder gleichwertige Kriterien erfüllt, erfüllt die Anforderungen an alterungsbeständiges Papier. Sofern Recyclingpapier beschaffbar ist, das die DIN 9706 erfüllt und den Blauen Engel trägt oder gleichwertige Kriterien erfüllt, ist dieses zu bevorzugen."
Link zur Verwaltungsvorschrift: Der aktuelle Stand der Verwaltungsvorschrift über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VwV Beschaffung) ist auf der Website des Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg abrufbar.
Sonstige Regelungen (z.B. Bestattungsgesetz)
Ferner erlaubt es § 15 Abs.3 des Bestattungsgesetzes (BestG) zuletzt durch Gesetz vom 1. April 2014 (GBl. S. 93) geändert, eine Verwendung von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit im Wege einer kommunalen Friedhofssatzung und Polizeiverordnungen zu untersagen.
Arbeitshilfen und weiterführende Links
Weiterführende Hinweise zur sozial nachhaltigen Beschaffung
Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg
* Nachhaltige Beschaffung konkret: Arbeitshilfe für den umweltfreundlichen und sozialverträglichen Einkauf in Kommunen (April 2017)
Christliche Initiative Romero (CIR) e.V.
* Sozialverantwortliche Beschaffung nach dem neuen Vergaberecht 2016 (November 2016)
Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW)
* Faires Beschaffungswesen in Kommunen und die Kernarbeitsnormen (Oktober 2016)
WEED e.V.
* Argumentationshilfe "Gute Gründe für nachhaltige Beschaffung" (2015)
Femnet e.V.
Möglichkeiten einer ökologisch und sozial nachhaltigen öffentlichen Beschaffung
Weiterführende Hinweise zur ökologischen Beschaffung
Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg
* Nachhaltige Beschaffung konkret: Arbeitshilfe für den umweltfreundlichen und sozialverträglichen Einkauf in Kommunen (April 2017)
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR)
* Nachwachsende Rohstoffe im Einkauf - Themenheft III: Büro - Einrichtung, Material, Gestaltung (2017)
* Nachwachsende Rohstoffe in Kommunen - Themenheft I: Entscheidungsträger (2013)
Arbeitshilfen des Umweltbundesamtes zur umweltfreundlichen Beschaffung
* Rechtsgutachten umweltfreundliche öffentliche Beschaffung (Januar 2017)
* Broschüre: Umweltfreundliche Beschaffung in der Praxis (Juni 2016)
* Hintergrundpapier: Umweltfreundliche öffentliche Beschaffung (September 2015)
* Empfehlungen für Ihre Ausschreibung
* Berechnung der Lebenszykluskosten
* Umweltaspekte in Vergabeverfahren